Seit Jahren bereits erkennbar, im Jahr 2023 haben es die Zahlen des statistischen Bundesamtes ebenso verdeutlicht: Die Krankheitstage der Arbeitnehmer in Deutschland erreichten mit durchschnittlichen 17 Ausfalltagen zuletzt ein Rekordhoch. Dabei geht man davon aus, dass Langzeiterkrankungen, die mehr als sechs Wochen Ausfallzeit bedeuten mehr als ein Drittel aller Ausfalltage verursachen, obwohl sie nur etwa 3,5 % der Fallzahlen ausmachen. Anders verhält es sich bei Kurzzeiterkrankungen, also Ausfallzeiten von bis zu drei Tagen. Deren Anteil beträgt etwa 30 Prozent aller Fälle, die Fehltage machen allerdings nur etwa 5 Prozent aus.
Fehlzeiten = Störfaktoren im Betrieb
Für Arbeitgeber bedeuten krankheitsbedingte Ausfallzeiten vor allem ein Zusatz an Planungsaufwand, Koordinierung von Vertretung und Unsicherheit hinsichtlich der Rückkehr zur Einsatzfähigkeit der Arbeitnehmer. Immer wieder stellt sich die Frage, ob finanzielle Anreize, z.B. in Form von Sonderzahlungen, die an konkrete Ausfalltage gekoppelt werden, hier zu einer Linderung führen könnten.
Präsentismus – Absentismus
Unter „Präsentismus“ versteht man das Erscheinen der Arbeitnehmer zur Arbeit, obwohl sie krankheitsbedingt geschwächt und damit nur eingeschränkt leistungsfähig sind. Hierfür werden diverse Antreiber als Erklärung herangezogen: Gesteigertes Pflichtbewusstsein, Erfüllung von äußerem Erwartungsdruck, Schuldgefühle gegenüber Arbeitgeber und Kollegen bis hin zu der persönlichen Einstellung, unentbehrlich zu sein.
„Absentismus“ meint hingegen zunächst lediglich die bloße Abwesenheit von der Arbeitsstelle, also die das Fernbleiben von der Arbeit. Die Begrifflichkeit wird aber auch gerne herangezogen, um das gewohnheitsmäßige Nichterscheinen zu beschreiben als eine „verhaltensbedingte Abwesenheit“, die auf steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers zurückzuführen ist.
Aus Sicht des Arbeitgebers dürfte ein gesteigertes Pflichtbewusstsein, auch von arbeitsunfähigen Arbeitnehmern, im ersten Moment entgegenkommend erscheinen, um die Öffnungszeiten des Apothekenbetriebs personell abzudecken und damit Ausfallzeiten abzufedern.
Diverse Studien verdichten jedoch die Annahme, dass dieser Ansatz zu kurz gedacht ist. Dies rührt zum einen daher, dass arbeitsunfähige Arbeitnehmer weniger leistungsfähig sind und damit sowohl Quantität als auch Qualität der Leistung gemindert sind. Neben verminderter Produktivität und gesteigerten Fehlerquoten darf auch die Ansteckungsgefahr nicht außer Acht gelassen werden, die je nach Art der Arbeitsunfähigkeit von Arbeitnehmern ausgeht, sodass für das gesunde Personal ein gesteigertes Risiko der Ansteckung bestehen kann.
Aufgrund hoher Dunkelziffern lassen sich die Effekte und Auswirkungen des Präsentismus in Zahlen nur schwierig messen. Schätzungen gehen jedoch davon aus, dass eigentlich arbeitsunfähige Arbeitnehmer weitaus mehr Kosten als Nutzen für den Apothekeninhaber bringen. Es sollte genau abgewogen werden, ob es wirklich sinnvoll ist, diese Haltung zu dulden oder sogar zu fördern.
Mit Bonuszahlungen gegen Ausfallzeiten angehen?
Grundsätzlich ist es arbeitsrechtlich umsetzbar mit den Arbeitnehmern Anwesenheitsprämien zu vereinbaren. Die Art und Weise ist in weiten Teilen frei verhandelbar: Dahingehende Prämien und Boni können monatlich ausgelobt werden oder als Jahreseinmalzahlung. Zu beachten ist dabei ist die gesetzliche Restriktion des § 4a EFZG. Hiernach können Zusatzzahlungen, die zusätzlich zum verstetigten Gehalt geleistet werden, um Tage der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit gekürzt werden. Diese Kürzung darf jedoch ein Viertel eines durchschnittlichen arbeitstäglichen Entgeltes nicht übersteigen.
Beispiel: Der Arbeitnehmer erhält ein monatliches Entgelt in Höhe von 4.000,-- € brutto bei einer 5-Tage-Woche. Sie soll eine Prämie von 2.000,-- € brutto erhalten, wenn sie im Kalenderjahr keine Arbeitsunfähigkeitstage aufweist. Für jeden Ausfalltag der Arbeitsunfähigkeit soll die Prämie um 200,-- € brutto gekürzt werden. Er fällt im Jahr 2024 11 Tag krankheitsbedingt aus.
Die Überprüfung ob die Vereinbarung gem. § 4a EFZG wirksam ist erfolgt wie folgt:
1. Ermittlung des Bruttojahresgehaltes: 12 x 4.000,-- € = 48.000,-- € brutto
2. Errechnung der jährliche Arbeitstage: 52 Wochen x 5 Tage = 260 Tage
3. Ermittlung des arbeitstäglichen Verdienstes: 48.000,-- € : 260 AT = 184,62 €
4. Quotelung zu ¼ des arbeitstäglichen Verdienstes: 46,16 € brutto.
Lösung: Der Ausfallsatz in Höhe von 200,-- € brutto/ Tag ist aufgrund des Verstoß gegen § 4a EFZG unwirksam, da er 46,16 € brutto/ Tag nicht hätte übersteigen dürfen.
Ob Anwesenheitsprämien personalpolitisch ein angemessenes Zeichen sind, soll an dieser Stelle offenbleiben. Es mag einerseits geeignet sein, die Zahlen der „Montag-Freitag-Krankheiten“ zu vermeiden. Andererseits bleibt es ein Signal des Misstrauens, denn die Grundannahme bei Ausfallzeiten aufgrund Arbeitsunfähigkeit sollte nach wie vor sein, dass auch tatsächlich eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Klar sein dürfte außerdem, dass das Phänomen des Präsentismus schon deswegen gefördert würde, damit Arbeitnehmer ihren Anspruch auf Prämienzahlung nicht verlieren. Dies will gut überlegt sein.
Fazit: Die Etablierung von Anwesenheitsprämien im Apothekenbetrieb sollte vor allem aus personalpolitischer Sicht gut überlegt sein. Es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass hierdurch die Behauptung einhergeht, dass krankheitsbedingte Ausfalltage auf steuerbares Verhalten zurückgehen. Dies kann erheblichen Diskussionsstoff mit sich bringen.