Während der ersten Monate des Arbeitsverhältnisses kann sich der Arbeitgeber unter Hinnahme von grundsätzlich überschaubaren Risiken einseitig von einem Arbeitnehmer mittels Kündigung trennen. Dann endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Kündigungsfrist. Bei vorheriger Vereinbarung einer Probezeit endet das Arbeitsverhältnis demnach 14 Tage nach Zugang der Kündigung beim Arbeitnehmer. Wann der Arbeitgeber jedoch verpflichtet ist, auch über dieses Enddatum hinaus, Entgeltzahlungen zu leisten, obwohl das Arbeitsverhältnis nicht mehr besteht, will dieser Artikel aufzeigen.
Pflicht zur Entgeltzahlung über das Beendigungsdatum des Arbeitsverhältnisses hinaus?
Ein Fall zum besseren Verständnis:
Der Apotheker A stellt eine PTA ein, die zum 01.10.2024 das Arbeitsverhältnis aufnimmt. Die ersten Tage scheint alles gut zu funktionieren. Nach zwei Wochen erkrankt die PTA arbeitsunfähig. Regelmäßig wird ihre tageweise ausgestellte Krankmeldung um weitere Tage ärztlich verlängert.
So hatte sich der Apotheker dies nicht vorgestellt. Kurzerhand kündigt er der PTA unter Einhaltung der Probezeitkündigungsfrist von zwei Wochen. Beendigungsdatum des Arbeitsverhältnisses ist der 08.11.2024.
Drei Monate später meldet sich die Krankenkasse bei dem Apotheker und fordert ihn zur Zahlung von Krankengeld auf. Die Krankenkasse teilt mit, dass sie nach dem 08.11. Krankengeld an die PTA Krankengeld gezahlt habe. Wenn das Arbeitsverhältnis fortbestanden hätte, so hätte der Apotheker bis zum Ende des Sechs-Wochenzeitraums Entgeltfortzahlung leisten müssen. Diesen Zahlungszeitraum verlangt die Krankenkasse ersetzt. Zu Recht?
Eine versteckte Vorschrift gelangt zum Vorschein…
Im Entgeltfortzahlungsgesetz ist unter § 8 Abs. 1 geregelt, dass der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall dann nicht untergeht, wenn der Arbeitgeber „aus Anlass der Krankheit“ gekündigt hat. Wenn dann, wie im vorbezeichneten Fall, die Krankenkasse vorläufig einspringt, um Leistungen gegenüber einem Arbeitnehmer zu erbringen, dann kann sie diese aufgrund von § 8 Abs. 1 EFZG in Verbindung mit § 115 SGB X vom Arbeitgeber ersetzt verlangen.
Kündigung „aus Anlass der Krankheit“
Die Voraussetzung, dass der Arbeitgeber „aus Anlass der Krankheit“ gekündigt haben muss, wird vermutet, wenn zwischen dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit und der Kündigung lediglich ein geringer zeitlicher Abstand besteht.
Der Arbeitgeber kann trotz dessen tatsächliche Sachverhaltspunkte vorbringen, die begründen, dass die Kündigung z.B. auf verhaltensbedingte Gründe gestützt wurde oder zumindest nicht „aus Anlass der Krankheit“ erfolgt ist. Hierfür trägt er jedoch die Darlegungs- und Beweislast.
Praxishinweis: Arbeitgeber sollten die Vorschrift im Hinterkopf behalten, wenn sie beabsichtigen, einem arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmer innerhalb der Probezeit zu kündigen. Auch wenn in diesem Zeitraum grundsätzlich kein Kündigungsgrund erforderlich ist, so kann es zumindest erforderlich werden, eine sachliche Rechtfertigung anzuführen, die außerhalb einer Arbeitsunfähigkeit liegt, damit etwaige Forderungen von Krankenkassen abgewiesen werden können.
Fazit: Nicht immer sind die Konsequenzen an dieser Stelle vermeidbar. Arbeitgeber sollten jedoch im Bewusstsein dessen handeln, und an dieser Stelle besonders sensibel mit dem Ausspruch von Kündigungen umgehen.
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